Schankraum

Ich folgte ihr und setzte mich auf einen der Hocker vor dem Tresen."Tut mir leid dich enttäuschen zu müssen, aber es sind Familienangelegenheiten, die nicht für fremde Ohren bestimmt sind, außerdem würde es dich nur unnötig in Gefahr bringen", erklärte nun ich meinerseits trocken.

Ambra lachte Akira offen aus. Sie sah keinen Grund diesen Mann höflich zu behandeln.
"Ich bin Angestellte einer in Ungnade gefallenen Prinzessin. Ich denke, ich komme mit Gefahr klar." Sie verdrehte die Augen. "Willst du irgendwas trinken?"

"Hast du Gin da? Und mit der Gefahr ist nicht zu spaßen", erwiderte ich nur.

Ambra schnaubte nicht besonders damenhaft und ging in die Hocke, um die Flasche hochzuholen.
Wenige Sekunden später reichte sie ihm ein ordentlich gefülltes Glas.
"Du hast absolut keinen Grund dir Sorgen um mich zu machen", erklärte sie ihm dann ruhig. "Zum einen kennst du weder mich noch meine Fähigkeiten, noch geht es dich etwas an, wie es mir ergeht."
Sie strich eine gelockte, schwarze Haarsträhne hinters Ohr.

"Wieso sollte es sie denn in Gefahr bringen? Ist dein Bruder gefährlich? Er sah eigentlich ganz nett aus... und sein Begleiter auch", stellte die Pixie fest und schnupperte an seinem Gin. "Ist das giftig? Es riecht, als könnte man damit jemanden vergiften..."

"Du hast Recht, es geht mich nichts an, aber dich geht meine Sache auch nichts an. Nein, mein Bruder ist micht gefährlich, jedenfalls nicht ohne Grund, aber die Leute, die hinter mir her sind, sind es. Und eigentlich kann man damit niemanden vergiften, aber du solltest es vielleicht trotzdem nicht probieren", erwiderte ich.

Ambra musterte den Fremden einen weiteren Moment lang kühl, ehe sie sich einen Eimer nahm, ihn mit heißem Wasser aus der Küche füllte, Seife hinzugab und sich dann in die Nähe des Eingangs kniete, um den Boden zu schrubben. Freundlicherweise hatte Kemyles seine Stiefel nicht abgestriffen, bevor er eingetreten war.
Eventuell ging sie etwas zu aggressiv ans Werk, aber das störte sie persönlich kaum - obwohl ein Beobachter wohl froh gewesen wäre, nicht der arme, unschuldige Boden zu sein.

Liloé folgte ihr und flatterte vor ihrem Gesicht auf und ab. "Was hast du gegen ihn? Soe schlimm ist er doch nicht. Hat erd auch sowas schlimmes gemacht wie Kemyles? Und warum bist du gerade so wütend? Kann ich dir irgendwie helfen? Das sieht anstrengend aus...machst du das oft? Woher kommt der ganze Dreck am Boden?, erkundigte sie sich neugierig. "Taucht der öfters auf?"

Ich zuckte nur die Schultern und blickte mich dann im Raum um.

Ambra sah leicht irritiert auf.
Normalerweise wäre sie vermutlich genervt gewesen - wenn Fliegen vor ihrem Gesicht herumschwirrten, war sie meist vollkommen ungehalten. Doch die Pixie war zu...sie wusste nicht einmal ein gutes Wort, um es zu beschreiben. Sie konnte ihr einfach nicht böse sein.
Leise seufzend richtete die Kellnerin sich auf.
"Ich mache das jeden Morgen, jeden Mittag und kurz vor der Abendzeit, weil Männer meist zu dumm und ungehobelt sind, sich den Schmutz von den Schuhen zu streifen, bevor sie eintreten", erklärte die Schwarzhaarige lächelnd. "Und wie so oft, müssen Frauen auch hier den Dreck wegmachen, den die Männer machen."
Sie schnaubte leise.
"Aber in erster Linie mache ich das, weil sonst Dalaia oder meine Mutter das machen müssten und ich bin die Jüngste von uns - es ist nur recht und billig, wenn ich die körperliche Arbeit übernehme. Vor allem, weil ich dank dieser Arbeit genug Kraft habe, um einen Greifen k.o. zu schlagen, wenn mir nicht dazwischen gefunkt wird."

"Sie bringen das an ihren Schuhen herein? Wieso sagt ihr ihnen nicht, dass sie sie saubermachen müssen, bevor sie reinkommen? Bei uns zuhause durfte niemand rein, der dreckig war, wir mussten uns immer vor der Baumhöhle sauber machen - allerdings nicht nur an den Füßen. Pixiefüße sind selten dreckig", stellte sie fest. "Und wieso solltest du einen Greifen k.o. schlagen? Wäre das nicht unklug? Er würde am Schluss zurückschlagen, wenn er wieder aufwacht, und das könnte unangenhem werden, oder nicht?"

Ambra schmunzelte.
"Keine Sorge: ich würde nie eine Prügelei beginnen, die ich nicht auch beenden kann", versicherte sie und stand nun auf, nahm Eimer und Bürste und ging zurück hinter den Thresen. Das dreckige Wasser brachte sie in die Küche - irgendwer würde es schon wegschütten.
Dann kam sie zurück zu Akira, der sich, seit sie zu Putzen begonnen hatte, offenbar keinen Zentimeter weit bewegt hatte.

Ich saß immer noch da, allerdings war mein Glas bereits leer, das war das einzige, was sich in meiner Nähe verändert hatte.

"Du hast das wirklich getrunken?", fragte Liloé beeindruckt. "Lebst du noch?" Aufgeregt wedelte sie mit der Hand vor seinem Gesicht herum.

"Ich fürchte er lebt noch", murmelte Ambra mit einem Hauch von Bedauern. "Willst du noch was zu trinken?"

" Ich lebe noch und ja, gerne doch", sagte ich zuerst zu der Pixie und dann zu der Kellnerin, mit einem Lächeln.

"Gibt es nicht bessere Dinge, vor denen man sich fürchten kann? Katzen zum Beispiel. Oder Mörder. Aber dass jemand lebt ist doch kein Grund sich zu fürchten", stellte Liloé neugierig fest.

Ambra wog den Kopf hin und her.
"Und was ist, wenn es sich um einen Mörder handelt, den man für tot gehalten hat und der dann aber anscheinend doch noch lebt? Und der es auf einen abgesehen hat?", schlug sie vor und fragte dann in sachlichem Ton an Akira gewandt: "Was darf's dieses Mal sein?"

Ich schaute sie eine kurze Zeit an. //Wusste sie irgendetwas von meiner angeblichen Vergangenheit?//, dachte ich. "Wieder Gin", antwortete ich schließlich.

Liloé sah entsetzt zwischen Ambra und Akira hin und her. "Willst du damit sagen, dass er ein totgeglaubter Mörder ist, der es auf dich abgesehen hat?!"

Ambra zwinkerte der kleinen Pixie lachend zu wank dann aber ab.
"Ich finde, dass er ein absolut unausstehlicher Mistkerl ist, der meine Zeit vergeudet." Mit dem typischen, warmen Barmädchenlächeln auf den Lippen schenkte sie ihm nach. "Aber das geht mir eigentlich bei so ziemlich jedem so, der hier rein- oder rauskommt. Und fast keiner von denen ist ein Mörder. Und sicher hat keiner von ihnen hätte es auf mich abgesehen." Sie verzog das Gesicht leicht. "Zumindest nicht in dem Sinn."

"Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob der andere Sinn besser ist, oder nicht", warf ich ein und bedankte mich bei ihr mit einem kurzen Nicken.

"Was für ein zweiter Sinn?" Neugierig  flog die Pixie zu der Flasche und  fuhr mit dem Finger über den Rand.

Die Kellnerin sah die kleine Pixie mit einem kleinen Schmunzeln an.
"Ich bin ein nettes Mädchen - ich rede über solche Dinge nicht. Vielleicht möchte dir ja dir Mistkerl etwas darüber erklären. Männer reden erfahrungsgemäß gerne darüber. Und wenn sie genug trinken, reden sie nur noch darüber."

"Der Mistkerl, wie du mich so schön getauft hast, hat erstens einen Namen und zweitens Anstand, weswegen du kein Wort darüber aus mir herausbekommen wirst, weder im nüchternen noch im heiteren Zustand", erklärte ich, ohne mein Lächeln auch nur ansatzweise fallen zu lassen.