Schankraum

"Soll ich ihn verpixen?", schlug Liloé hilfsbereit vor. "Dann kann er dich jetzt nicht mehr belästigen, und wenn er morgen aufwacht, glaubt er wahrscheinlich, dass er nur zu betrunken war... und wenn man selber solche Fähigkeiten nicht hat, kann man es doch trotzdem ausnutzen, wenn Leute da sind, die einem helfen können...?"

Ich beobachtete den Kerl, meine Hände zu Fäusten geballt."Kann man, ja, aber muss man nicht", sagte ich.

"Ich finde es immer etwas komisch...dieses Gefühl, wenn eine Wunde geheilt wird...also lass ich es sein", erklärte ich der Pixi lächelnd.

Ambra sah Alira misstrauisch an.
"Es wäre unklug, ihm irgedetwas anzutun, weil er große Macht hat und das dem Wirtshaus unter Garantie schaden würde - ebenso wie demjenigen der sich mit ihm angelegt hat. Dieser Mann ist harmlos. Vielleicht ein bisschen einsam und alkoholabhängig - aber keine Gefahr", sagte sie in möglichst beruhigendem Tonfall und versuchte die unangenhmen, anzüglichen Blicke zu ignorieren, die der Mann ihr wieder und wieder zuwarf.

"Also, mir erscheint er sehr wohl gefährlich...", widersprach die Pixie. "Und wie will er das machen? Wenn ich ihn betäube - nun, es ist praktisch unmöglich, eine Pixie zu finden, die nicht gefunden werden will", erklärte sie nicht ohne Stolz. "Und Akira müsste die Stadt verlassen, aber außerhalb davon ist es doch egal, wer er ist...und er müsste zugeben, weswegen ihm das passiert ist, und damit würde er sich nur lächerlich machen, also würde er doch eher garnichts unternehmen..."

" Da schätzt du mich falsch ein, außerdem hatte ich nicht vor, lange in der Stadt zu bleiben, ich werde bald weiterziehen, aber du hast Recht, was das Wirtshaus angeht", sagte ich.

"Naja aber ihr sollt ihm doch eh nichts antun, also ist es ziemliche Zeitverschwendung zu überlegen was man tun könnte und was die Folgen davon wären", meinte ich dann nachdenklich.

Die Kellerin seufzte erleichtert.
"Wenigstens eine sieht es ein." Das Lächeln, mit dem sie Liloé nun bedachte, wirkte deutlich gezwungen. "Es ist so...der König herrscht über die gesamte Neutrale Zone - nicht nur über Caras. Demnach ist auch unser lieber Freund hier...in der gesamten Neutralen Zone einflussreich. Es wäre schlichtweg nicht ratsam, sich die Neutrale Zone zum Feind zu machen, verstehst du? Eigentlich soll dieses Land die Anlaufstelle für alle Rassen sein - ein Reich, in dem alle Rassen gleich behandelt werden."

"Was nützt einem Rassengleichheit, wenn Männer wie der da sich trotzdem alles erlauben dürfen? Das ist nicht fair", bemerkte Liloé unzufrieden. "Niemand sollte sich so aufführen dürfen, nur weil er der Cousin oder Bruder oder sontwas von irgendwem ist."

"Sehe ich genauso", stimmte ich der Pixie zu.

"Es ist eben so, da kann man nichts dagegen tun. Die Obrigkeit macht mit uns eben was sie wollen", meinte ich seufzend.

Ambra nickte kurz, dann war ihr Lächeln wieder da. Die Männer waren heute Abend unruhiger. Es gefiel ihnen wohl nicht, dass Ambra sich heute so sehr mit Akira beschäftigte. Das Lächeln auf ihren Lippen wurde leicht höhnisch.
Vielleicht wurden Frauen unterdrückt. Aber wenigstens waren sie nicht so dumm und kurzsichtig.
"Mädchen, gib mir mehr zu trinken!", krächzte ihr Verehrer nun wieder.
Mit einem Lächeln kam sie seiner Aufforderung nach. "Geht aufs Haus", raunte sie ihm grinsend zu.

"Gegen sowas kann man immer etwas tun", widersprach die Pixie. "IRGENDWAS funktioniert immer, und wenn es im Notfall ein Aufstand ist. Gerade die neutrale Zone sollte doch demokratisch sein..."

"Dafür gibt es leider nicht genug Menschen, die mitmachen würden", dachte ich laut nach.

"Außerdem werden Aufstände sofort wieder von der Armee niedergeschlagen", meinte ich deprimiert "Und alles was es dann bringt, sind viele Verletzte und vielleicht sogar ein paar Tote."

Ambra starrte die drei an.
"Seid ihr von allen guten Geistern verlassen?!", zischte sie. "Für derartige Reden - schon für weniger vehemente - kommt man ohne weiteres ins Gefängnis. Wenn es die falschen Leute hören. Wie die näheren Verwandten gewisser Monarchen, nur so als Beispiel."
Sie funkelte die drei wütend an.
"Ihr benehmt euch wie kleine Kinder", stellte sie säuerlich fest. Bei diesem Thema kannte sie keinen Spaß. Sie hatte schon viel zu viele Leute in diesem Gasthaus nie wieder gesehen, wenn sie an einem Abend derartiges gesagt hatten - selbst im größten Rausch hatten sie keine Gnade erfahren. Ihre Mutter hatte sich einmal mit solchen Männern unterhalten - wäre da nicht Dalaia gewesen, die ein gutes Wort für sie eingelegt hätte, man hätte sie nie wieder das Licht der Sonne sehen lassen. Sie war nicht erpicht darauf, mehr Leute auf diese Art und Weise gehen zu sehen. Nicht einmal Akira. "Euch passt etwas nicht, also wollt ihr losziehen. Ihr wisst natürlich, dass eine Revolution aussichtslos ist - es gibt einfach zu viele vernünftige Menschen in diesem Land - aber ihrwünscht es euch. Ihr haltet es für klug. Und wieso bitte? Ihr seht die Bedeutung der Neutralen Zone nicht, oder? Euch ist nicht klar, dass dieses Reich eine wichtige Konstante im allgemeinen Frieden ist, nicht wahr? Wieso solltet ihr sonst auch so reden."
Sie hatte sich so in Rage geredet, dass sie mittlerweile schon schwer atmet. "Ich will in diesem Gasthaus nie wieder etwas über solchen Blödsinn hören, ich hoffe, dass das klar ist."

"Es war nur eine Idee", entgegnete Liloé überrascht. "Niemand hat gesagt, dass wir sowas vorhaben. Kein Grund, sich so aufzuregen..."

"Sie hat Recht, keine Sorgen, wir planen nichts", sagte ich und schaute Ambra beruhigend an, jedenfalls hoffte ich, dass es sie beruhigen würde.

"Und was ist wenn ich sowas vorhätte"; meinte ich trotzig, wie ein kleines Kind "Das ist doch genau DAS worum es geht, ich darf nicht mal sagen was ich will, ohne in Gefahr zu geraten. Aber das spielt auch keine Rolle, ich hab eh nicht vor so etwas sinnloses zu versuchen."

Ambra sah ihre Freundin zornerfüllt an, ehe sie die anderen noch einmal kurz misstrauisch musterte. Mit einem leichten Schulterzucken wandte sie sich von ihnen ab.
"Mädchen, wie steht es jetzt mit uns -"
"Der Pastor wäre sicher sehr erzürnt, wenn er von Euren unmoralischen Angeboten erführe", wandte Ambra lächelnd ein. "Ein argloses Mädchen so zu verführen...ich kann mir kaum vorstellen, dass das an den Himmelspforten zu Euren Gunsten gehalten werden würde."
Er verzog das Gesicht. "Du sorgst dich wohl sehr um mein Seelenheil?"
"Aber natürlich, werter Herr. Ein so anständiger Mann wie Ihr sollte keinesfalls auf Abwege geraten. Wie sagt der hochwürdige Pastor doch immer? 'Der Herr schickt uns so manche Versuchung, der nur der Tugendhafte widerstehen kann.' Ihr, als weitbekannter und hochgeschätzter Mann solltet ein Vorbild sein, findet ihr nicht?", flötete sie. "Wisst Ihr, ich respektiere wenige Männer so sehr, wie ich Euch respektiere. Habe ich mich etwa vertan, als ich Euch einschätzte?"
Der Mann grummelte etwas. Doch Ambra wusste: lange würde sie ihn nicht mehr alleine mit Geschichten vom Pastor und der Tugend unter Kontrolle halten können. Er war gläubig - doch wie so viele andere Adelige, bog er sich die Worte der heiligen Schriften gerne zu seinen Gunsten zurecht. Oder ignorierte sie geflissentlich. Wer konnte ihm schon irgendetwas nachweisen.

"Wieso hast du sofort so...aufgebracht reagiert?", fragte Liloé neugierig und flatterte vor Ambras Gesicht auf und ab. "Ist es etwas persönliches? Oder hast du Angst, dass etwas passieren könnte? Und wieso redest du mit Gästen höflicher als mit Yugito, mir oder Akira - obwohl der genau gesehen auch ein Gast ist?"

Ich beobachtete den Kerl wieder genauer, noch so eine Bemerkung und ich würde tatsächlich einschreiten, ich hatte schon sogar einen Plan.

"jaja das mit Akira würde mich schon mal interessieren...kennst du ihn vielleicht doch genauer als wir beide angenommen hatten?", fragte ich mit einem verstohlenen Grinsen im Gesicht.

Ambra hob eine Augenbraue.
"Wenn dem so wäre, wüsstest du bereots davon. Nein. Aber es geht hier einzig und alleine darum, dass ihr Dinge gesagt habt, die euch in den Kerker bringen können - und er ein Mann ist, der jeden im Land - außer dem König selbst - in den Kerker werfen kann. Es ist klüger, solch einen Mann gut zu behandeln. Sollte ich eines Tages einmal größere Schwierigkeiten haben, schadet es nicht, wenn mir Leute in hoher Position wenigstens nicht gänzlich abgeneigt sind. Wenn ihr drei aber in den Kerker geworfen werdet wirft das ein schlechtes Licht auf alle, die mit dem Wirtshaus zu tun haben. Liloé, du bist Dalaias Gast. Akira, du bist zusammen mit Kemyles hierher gekommen und bist der Bruder von einem Freund von Dalaia. Und du, Yugito, bist meine beste Freundin und arbeitest oft hier. Was denkt ihr, was mit diesem Wirtshaus geschehen würde? Ich schulde es Dalaia einfach, soviel Umsicht zu haben und aufzupassen."

"In Ordnung...und woher weiß man, ob jemand einen in den Kerker werfen könnte? Sehen die alle so aus wie er? Oder stellen sie sich vor und erklären es einem da? Woher sollte man denn sonst erkennen, wer das ist?", wollte die Pixie nun wissen. Sie reiste herum, um mehr über die Großen zu lernen, aber eingesperrt zu werden gehörte nicht zu den Erfahrungen, die sie machen wollte.