Dalaia's Anwesen

"Ich weiß nicht, ich bin nicht so der Typ dafür. Und Kaito ist immer noch verletzt, also setzt er bis morgen früh eh keinen Fuß vor die Tür", sagte ich.

Dalaia schmunzelte und betrachtete das Feuer im Kamin, das mit seinem leisen Knistern in einer, ihr unbekannten Sprache, leise Geschichten zu flüstern schien, welche zu hören ein irdischer Verstand nicht vermochte.
"In jedem Fall sollte ihr beide heute früh zu Bett gehen. Ich würde morgen bei Sonnenaufgang gerne schon unterwegs sein, wenn möglich", erklärte Dalaia ruhig und sah wieder auf. "Wenn alles gut läuft können wir innerhalb von zwei Tagen unser Ziel erreichen. Ich möchte aber keine Zeit verschwenden."

Kaito und ich nickten nur zustimmend.

Dalaia sah die beiden kopfschüttelnd an. Sie war sich doch ziemlich sicher, dass sie im Alter der beiden etwas....lebensfroher war und ihre Zeit wirklich genossen hatte. Das war sogar absolut garantiert, denn mit Achtzehn bestand ihr Leben eigentlich aus ausschlafen, lernen - was ohnehin eines ihrer Hobbys war - , Freizeit und den vielen, vielen Bällen, die damals noch veranstalten worden sind. Zu ihrem Glück hatte es in den 21 Jahren, die sie Zuhause verbracht hatte, keine Kriege gegeben sonst wäre alles deutlich weniger erfreulich gewesen. Auch die Jahre danach hatte sie schwungvoll verbracht. Immer nur von einem Abentéuer zum nächsten, es gab nur Pausen, wenn mal eine Feier anstand oder ihr (mal wieder) ein junger Mann, der ihr gefiel, ihr schöne Augen machte. Lusaya war für dergleichen nie sonderlich empfänglich gewesen.
Aber vielleicht war es schwierig die beiden zu vergleichen. Zum einen war Dalaia immer ein Greif geblieben - wenigstens von der Mentalität her. Kaito war ein Halbdämon. Dalaia hatte eine unbeschwerte Kindheit gehabt und war dann abgehauen, als es für sie ernst hätte werden können. Kaito hatte als kleiner Junge seine Familie verloren, die von seinem Bruder ermordet worden war und war seitdem auf einem unerbittlichen wenn auch fruchtlosen Rachefeldzug.
Nein...man konnte es nicht so recht vergleichen...aber eines wusste Dalaia mit Sicherheit: selbst, wenn man harten Zeiten gegenüber stand - und dergleichen gab es auch in den 97 Jahren ihres Lebens zu genüge - man sollte die Zeit, die man auf Erden wandelte genießen.

"Bemitleide mich nicht, auch wenn ich eine schwierige Vergangenheit hatte, bin ich relativ zufrieden mit meinem Leben", sagte ich grinsend.

Dalaia zuckte zusammen und obwohl ihr für einige Sekunden die Schuld ins Gesicht geschrieben stand, ehe sie ihre Miene wieder unter Kontrolle hatte, schüttelte sie den Kopf.
"Wie kommst du darauf, dass ich dich bemitleiden würde? Der Jugend gehört die Zukunft."
Dieser Spruch war für sie persönlich sehr ausdruckslos. Er definierte nicht einmal die Jugend Ahnung für sich und war ungenauer als alles, woran sie glaubte. Doch sie hatte sich angewohnt, mit ein paar Sprüchen dieser Art - wie man sie sonst nur von Wahrsagerinnnen auf Jahrmärkten hörte - von eigentlichen Themen abzulenken. Es war eine Gewohnheit, sie setzte diese Strategie nicht gezielt bei Kaito ein, vor allem, da sie wusste, dass es bei Kaito wohl kaum einen Zweck haben würde.

"Wenn du meinst", sagte ich und zuckte mit den Schultern, ich kannte sie schon relativ gut um zu wissen, dass sie nur vom Thema ablenken wollte, also beließ ich es einfach dabei.

Nun lachte Dalaia.
"Nein, im Ernst. Wie bist du darauf gekommen? Hast du das von meinem Gesicht abgelsen?", wollte sie nun, offenkundig neugierig, wissen.

"So kann man es sagen, ab und zu verraten deine Augen mehr als dir vielleicht lieb ist", sagte ich.

Dalaia legte ihren Kopf in die Hand, deren zugehörigen Arm sie auf der Armlehne abgestützt hatte.
"Hervorragend! Das ist genau das, was ich jetzt brauche! Ich werde durchschaubar!", jammerte sie theatralisch, doch das amüsierte Lächeln auf ihren Lippen, nahm der Prinzessin jegliche Glaubwürdigkeit.

"Ich kann dich beruhigen, nur dann, wenn man dich lange genug kennt", sagte ich und lachte leicht.

Ihre Mundwinkel zuckten leicht.
"Ich bin noch gar nicht dazu gekommen, euch von euren Erlebnissen erzählen zu lassen. Wollt ihr das jetzt vielleicht nachholen?"

"Erlebnisse?", sagte ich und lachte nun. "Als ob wir sowas hätten", meinte ich dann, doch Shin schaute mich nur traurig an. Anscheined habe ich irgendetwas verpasst.

Dalaia bedachte Shin mit einem kurzen, tröstenden Blick und meinte dann:
"Du willst mir doch nicht erzählen, dass zwei ansehnliche junge Burschen wie ihr nichts erlebt, wenn ihr durch die Länder reist? Das ist ...mehr als enttäuschend. Wenn bei uns damals mal jemand für ein paar Wochen weg war, hatte er wenigstens den Anstand, sich ein paar tolle Geschichten auszudenken, damit er was zu erzählen hatte, wenn er zurückkam!"

cf: Wirtshaus 'Zum tanzenden Greif', Schankraum (mit Ambra)

"Oh, aber wenn sich mal so überlegt...zwischen fünf Köpfen ensteht auch leicht eine Streiterei! Wenn man sich den ganzen Tag ertragen muss...wenn ich mir vrostelle, mit fünf meiner Geschiwster einen ganzen Tag in einem Raum verbringen zu müssen, ich würde durchdrehen! Und diese fünf Köpfe müssten einander ja ihr ganzes Leben ertragen...sie könnten nie ohne die anderen etwas unternehmen. Das wird auf Dauer doch ziemlich nervig. Da wären fünf Arme praktischer - Arme können nicht streiten. Oder Flügel! Fünf paar Flügel, damit könnte man so schnell fliegen...und wenn das eine paar erschöpft ist, kann ein anderes einspringen. Das wäre ziemlich praktisch... Fünf Augen wären auch toll. Am Hinterkopf a besten mindestens eins, dann könnte sich niemand von hinten anschleichen und dich erschrecken", überlegte Liloé laut, ohne eine Pause zu machen - wie auch die ganze restliche Fahrt über. "Sind wir da? Das ist Dalaias Haus? Ist es nicht ein weig zu groß dafür, dass sie alleine da wohnt? Wohnt sie überhaupt noch alleine oder ist ihr Freund zurückgekommen?"

Ambra lächelte die kleine Pixie traurig an.
"Dalaias Vater hat dieses Haus geplant und gebaut...sie wollte eigentlich nur eine kleines Waldhütte und nein...Kemyles ist noch immer nicht zurückgekehrt..."
Sie seufzte. "Komm, ich bring dich rein zu ihr."
Ambra trat ein, ignorierte einen erstaunten Tzeltichor und machte sich auf den Weg in das Wohnzimmer. "Da drinnen ist sie. Willst du alleine rein oder soll ich mitkommen?"

"Wie du willst", meinte Liloé, der es relativ egal war, ob die Kellnerin mitkam - wenn sie wollte, störte es die Pixie nicht, aber sie würde auch ohne sie mit Dalaia reden. "Aber du müsstest die Tür aufmachen. Schwere Holztüren sind nicht wirklich Pixie-geeignet...wenn nötig kann ich auch durch das Fenster fliegen oder mich unter der Tür durchquetschen, aber das wäre doch eher unangenehm. Für was baut ihr diese Dinger eigentlich ein? Bei uns gibt es sowas nicht. Das it doch unnötig... besonders, wenn nicht abgesperrt ist. Nicht abgesperrte Türen sind ebenso offen als wäre nur ein Durchgang da... und man würde Holz sparen. Dann müssten weniger Bäume abgeholzt werden und es gäbe mehr geeignete Wohnplätze für kleine Lebewesen. Darüber solltet ihr euch echt mal Gedanken machen...", murmelte sie nachdenklich.

Ambra lächelte und nickte. Sie öffnete die Tür für die Pixie und verabschiedete sich dann - sie war wirklich müde und würde ohne Abendessen ins Bett gehen. Schlaf war ihr nunmehr wichtiger als Nahrung. Es würde ihr kaum schaden.

Liloé wünschte ihre eine gute Nacht und flog dann schnell ins Zimmer. "Hallo, Dalaia!", rief sie fröhlich und ließ sich auf deren Schulter nieder. Bevor sie beginnen konnte, auf die Greifin einzureden, fiel ihr Blick auf die beiden jungen Männer im Zimmer. Überrascht runzelte sie die Stirn. "Ist einer von euch Kemyles? Aber Ambra hat doch gesagt, er wäre noch nicht wieder hier, und ich hab ihn mir auch anders vorgestellt...kriegerischer...ihr seht nicht wirklich kriegerisch aus", stellte sie fest und musterte die beiden von oben bis unten. "Und sollte er nicht blonde Haare haben? Keiner von euch ist blond. Hm. Wer seid ihr dann? Seid ihr Freunde von Dalaia? Was macht ihr hier? Seid ihr Geschwister?"

Dalaia seufzte leise und lächelte ihre kleine Freundin an.
"Na, wen haben wir denn da? Liloé, es ist schön, dich zu sehen. Und es scheint dir ja sehr gut zu gehen. Aber...nein" Sie atmete tief durch und war nun etwas trauriger, "keiner vin beiden ist Kemyles. Das sind Kaito und Shin ein laar alte Bekannte von mir. Sie sind beide sehr nett, also sei auch nett zu ihnen. Und das ist meine gute Freundin Liloé, eine liebenswerte Pixie", stellte Dalaia die drei Personen einander vor.

"Freut mich dich kennen zu lernen", sagte ich und lächelte sie an."Mich ebenfalls", fügte Shin dann hinzu."Ich denke, dass Shin und ich jetzt schon mal schlafen gehen, abgesehen davon, habt ihr beiden höchstwahrscheinlich etwas zu bereden. Gute Nacht", sagte ich dann und Shin und ich machten uns auf den Weg in das Gästezimmer.

"Ist es schon spät? Musst du auch schlafen? Wenn ja, können wir das alles auch morgen besprechen... es ist nicht so dringendes dabei, als dass es nicht noch einen Tag warten könnte", schlug Liloé vor und sah den Beiden nach, als sie das Zimmer verließen.

Dalaia schüttelte den Kopf.
"Wir brechen morgen in aller Frühe auf. Erzähl mir am besten gleich alles, was du weißt. Das wird mir bestimmt nützlich sein", schlug sie vor.

Dalaia prägte sich die Worte ihrer kleinen Freundin sorgsam ein, damit sie später alles genau durchgehen könnte - sie musste in Ruhe nachdenken können und das würde sie in dieser Nacht tun.
Doch nun lachte sie.
"Du siehst das vollkommen falsch, meine Liebe. Sieh es lieber so: Eine Frau muss in unruhigen Zeiten zu einem wichtigen Termin und wird von zwei guten Freunden eskortiert", warf sie ein. "Außerdem gehört mein Herz Kemyles und das wissen die beiden nur zu gut. Und stell dir nur mal vor...rein theoretisch könnte ich ihre Ur-ur-ur-großmutter sein!"