Dalaia's Anwesen

Dalaia atmete tief durch und nickte dann.
"Was habt ihr bei euch? Wir werden mehr als nur Proviant brauchen, das wisst ihr genauso gut, wie ich."

"Waffen haben wir dabei, Shin kann heilen, also brauchen wir im Prinzip keine Medikamente, ansonsten fällt mir jetzt nichts mehr ein",sagte Ken.

Dalaia nickte.
"Ich packe einfach alles ein, was ich für sinnvoll halte...das Essen kann ich innerhalb einer Stunde organisieren, das ist nicht das Problem....aber wann wollt ihr los?"

"Gleich morgen früh? Je eher desto besser, oder nicht?", schlug Ken vor.

Dalaia nickte langsam.
Wenn es nach ihr gegangen wäre, wäre sie sofort losgeritten. Es wäre nicht ihre erste spontane Reise - und sie bevorzugte spontane Reisen. Es würde so lange dauern zum Zwergenkönig zu kommen...und der Zwergenkönig konnte kompliziert sein.Doch es konnte sich auch lohnen...in jedem Fall war sie jetzt schon ungeduldig ihn zu sehen...vor allem,weil das bedeutete, dass sie möglichst bald wieder hier sein könnte. Die Neutrale Zone wurde nie vom Krieg heimgesucht. Die Neutrale Zone war...der friedlichste Ort, den Dalaia kannte

"Außer du willst eher los, dann können wir auch schon bald aufbrechen", meinte Ken dann.

Dalaia zögerte.
"Nein...nehmt euch die Zeit, die ihr braucht...", meinte sie dann und fühlte sich müde. Sie wusste, dass sie bald wieder in ihre grüblerische Stimmung verfallen würde und, dass Ambra sich dann wieder Sorgen machen würde - auch darüber hatte Dalaia schon gegrübelt.

"Gut, dann brechen wir morgen bei Sonnenaufgang auf", sagte Ken.

Dalaia nickte knapp und erhob sich.
"Dann lass ich euch mal in Ruhe...falls ihr noch was braucht...lasst einfach nach mir rufen."

"Danke", sagte Ken und Shin nickte nur. Dann wechselten Ken und ich wieder die Kontrolle. "Willst du mir nichts erklären?", fragte Shin mich. Ich spürte wie Ken sich zurückzog und Shin und mir Freiraum ließ. "Ich werde dir alles erklären, wenn ich selbst mehr weiß, aber bitte vertraue mir. Mir tut es noch mehr weh als dir, nicht über alles mit dir reden zukönnen, aber es wird auf jeden Fall die Zeit kommen, in der sich das ändert", sagte ich und schaute ihn an. Er erwiderte meinen Blick nur, aber ich konnte sehen, wie verletzt er war und das bereitete wiederum mir Schmerzen, da ich wusste, dass ich jetzt noch nichts dagegen machen konnte. Shin atmete tief durch und sagte dann: "Gut, ich werde dir vertrauen, solange du mir versprichst, dass du mich nie verlassen wirst, nicht im Sinne von kurz in das Dämonenreich gehen, sondern in Sinne von für immer alleine lassen." Sein Blick wanderte auf den Boden und seine Stimme wurde zum Ende hin immer leiser. Ich lächelte. Dieser Bitte werde icj gerne nachgehen."Versprochen", sagte ich dann und nun lächelte Shin auch.

Dalaia hatte sich längst abgewandt und war in den Ostflügel gegangen.
Normalerweise würde sie sich wohl einen Abenteuerroman, ein philosophisches Werk oder doch eine naturwissenschaftliche Lektüre raussuchen und damit den restlichen Tag verbringen, doch heute hielt sie es für gescheiter, sich die unteren zwei Stockwerke vorzunehmen: ihre Zaubersprüche. Sie hatte dort noch nicht jedes Buch gelesen, aber sie hatte alles einsortiert, mithilfe einiger Kollegen. So wusste sie ziemlich gut, wo 'Zaubersprüche für Reisende' zu finden war. Ein tolles Buch. Darin waren viele verschiedene Zauber und ihre Wirkung aufgelistet. Praktische Zaubersprüche, aber auch jene, mit denen man Angreifen, sich verteidigen oder sich verstecken konnte - und keiner von ihnen brauchte allzu viel Kraft. Also perfekt für unterwegs.

Nachdem wir das mehr oder weniger geregelt haben, sind wir zusammen zum See gegangen, auch wenn ich Kaito verboten habe, zu schwimmen, da seine Wunde immer noch nicht verheilt war. Erst am Abend gingen wir wieder in das Anwesen zurück.

Nachdem Dalaia viele Stunden im unterirdischen Bereich ihrer Bibliothek verbracht hatte, beschloss sie, das Buch, welches nicht sonderlich wertvoll war, mit zu nehmen und oben weiterzulesen.
Sie war nicht sonderlich erstaunt darüber, dass es bereits dunkel war...sie hatte schon ganze Tage bei ihren geschriebenen Freunden verbracht.
Oben angekommen, ließ sie sich im Wohnzimmer nieder, wo sie das Buch wieder aufschlug und weiterlas - sie könnte es auch unterwegs nachlesen, wenn sie etwas brauchte, doch es schadete sicher nicht, es auswendig zu können.

Kaito und ich durchstreiften das Anwesen, ehe wir das Wohnzimmer fanden, wir mussten einige Bedienstete fragen, wo es lang geht. Im Wohnzimmer trafen wir auch auf Dalaia, die in ein Buch vertieft war und uns gar nicht bemerkte.

Dalaia las weiter und weiter, verschlang das Buch, dass sie vor jeder Reise las, Seite um Seite, als wäre es ein spannender Roman. Sie mochte vielleicht wie eine Verhundernde wirken, der man ein paar Brotkrümel zugeworfen hatte, doch Dalaia hatte nie abgestritten, im Bezug auf Wissen unglaublich gierig zu sein, im Gegenteil: sie gab anderen, die meinten, sie wäre zu sehr darauf fixiert, vollkommen recht. Nicht, dass sie deshalb etwas daran ändern wollte oder könnte.

Ich trat hinter Dalaia und schaute über ihre Schulter, was es für ein Buch war. Es waren alle möglichen Reisezauber, was uns sehr nützlich sein würde. Da ich sie jedoch nicht stören wollte, setzte ich mich in einen der freien Sessel und wartete einfach ab.

Irgendwann begannen Dalaias Augen zu brennen und sie schlug das Buch zu.
Als sie mit einem leisen, zufriedenen Seufzer aufsah und Shin erblickte, zuckte sie zwar nicht zusammen, doch für den Bruchteil einer Sekunde weeiteten sich ihre Pupillen erschrocken, nur, um dann wieder normale Maße anzunehmen.
"Shin...wie lange bist du schon hier?", wollte sie mit gerunzelter Stirn wissen.

"Ich hab nicht auf die Uhr geschaut, aber ich würde sagen, lange genug", sagte ich lächend.

Dalaia seufzte und legte das Buch beiseite.
"Dann tut es mir leid...du hättest ruhig etwas sagen können, ich hab noch die ganze Nacht zum lesen."
Sie lächelte leicht und rieb sich die Augen.
"Brauchst du irgendwas von mir oder ist dir nur langweilig?"

"Ich wollte dich nicht stören, ich weiß selbst, wie es mit einem Buch werden kann. Und mir war nur langweilig", antwortete ich grinsend.

Dalaia nickte lächelnd und gähnte.
"Wie habt ihr zwei euren Tag verbracht? Es muss schönes Wetter gewesen sein, sonst würde Xea jetzt wohl schimpfen wie ein Rohrspatz, doch sie ist ganz still, als wäre sie zufrieden. Habt ihr das ausgenutzt? Also das Wetter mein ich?"

"Wir waren am See spazieren", sagte ich. "Die Natur hier ist schön und es ist so ruhig am See, dass gibt es nicht oft in der Nähe von großen Städten". fügte ich dann hinzu. Kaito warf mir nur einen beleidigten Blick zu, da ich ihn nicht schwimmen hab lassen.

Dalaia sah Kaitos Blick und obwohl sie nicht wusste, was dahinter steckte, musste sie unwillkürlich lachen und erschrak fast über das Geräusch - sie hatte schon lange nicht mehr gelacht, weil sie etwas lustig gefunden hatte - meist hatte es einfach dazu gehört.
"Und wie wollt ihr zwei euch den Abend vertreiben?", fragte sie nun mit einem leichten Zwinkern.

"Eine sehr gute Frage", sagte ich grinsend.